Ich habe mich in den letzten Tagen oft gefragt, was ich angesichts der aktuellen Ereignisse mit bzw. auf dem Blog machen soll. Es gibt Menschen, die vor Krieg flüchten. Tausende sind schon gestorben. Kann ich wirklich hier sitzen und über Lippenstift schreiben, während vielleicht in Ungarn eine Frau in meinem Alter an einem Bahnhof sitzt und nicht weiß, wie es weitergeht?
In meiner Familie gibt es auch Geschichten von Vertreibung und Flucht. Gäbe es diese Geschichten nicht, gäbe es mich nicht. Denn ich bin nur geboren worden, weil meine Großeltern ihre Heimat verloren haben, aus ihrem Geburtsort geflohen sind und an der Lahn eine neue Heimat gefunden haben. Für viele Familienmitglieder war die Flucht ein lebenslanges Trauma. Das erfahre ich auch zwei Generationen später noch.
Mir stellt sich die Frage, ob ich angesichts von Tragödien in der Welt über profane Dinge wie Lidschatten und Wimperntusche schreiben kann. Ich habe da lange drüber nachgedacht und ich denke, ich kann darüber schreiben. Es ist doch so:
Wenn ich einen Lippenstift auf dem Blog zeige, heißt das nicht, dass ich nicht gleichzeitig Windeln zum Roten Kreuz bringe. Wenn ich ein Make-up Tutorial veröffentliche, dann heißt das nicht, dass ich nicht gleichzeitig Wintersachen aussortiere, um sie zu spenden. Das Leben hat viele Facetten. Mein Leben hat viele Facetten.
Seit ich 16 bin, habe ich immer wieder Ehrenämter übernommen. Das habe ich als sehr bereichernd empfunden. Ich bin sehr froh, dass ich wertvolle Erfahrungen sammeln konnte und wunderbare Menschen getroffen habe. Genauso finde ich aber auch diesen Blog, die Kommentare und den Austausch bereichernd. Mir macht das Bloggen Spaß und ich nehme mir da ebenso gern die Zeit zu wie ich es für die Ehrenämter tu. Alles hat seinen Raum.
Ich bin froh, dass ich in einer Situation bin, wo ich allen Dingen, die ich gern mache, ihren Raum geben kann. Ich weiß sehr gut, dass das nicht selbstverständlich ist. Also wenn es halt gerade einen Lippenstift gibt, für den ich mich begeistere, dann ist mir natürlich klar, dass das nicht alles ist. Es ist immer nur eine Facette.
Ich weiß, dass andere Blogger sich auch Gedanken machen. Anja hat in Ihrem Refugees Welcome Beitrag beschrieben wie es Ihr geht und eine sehr gute Linksammlung für alle zusammengestellt, die gern helfen möchten. Auch auf Blogger für Flüchtlinge gibt es Tipps, was man tun kann. Bei den Landesflüchtlingsräten kann man nachfragen, was vor Ort gebraucht wird und Hilfe anbieten. Es gibt viele Möglichkeiten, die Not von Flüchtlingen zu lindern und ich bin froh, wenn ich nicht nur als Person, sondern auch mit diesem Blog ein wenig dazu beitragen kann.
12 Comments
Hallo liebe Heli, ich denke, dass viele von uns gerade dasselbe Dilemma haben. Ich leite Deinen Blogpost einfach mal an die Bloggercommunity weiter.
Dankeschön!
Hey, ich sehe das genau wie du: Es muss ja auch bei uns irgendwie weitergehen. Und nur weil ich meiner Arbeit nachgehe, blogge und meinen Alltag meistere, kann ich doch trotzdem etwas Gutes tun und zum Beispiel etwas spenden oder andere dafür sensibilisieren.
Liebe Grüße
Ja, genau so sehe ich das auch.
Es freut mich, dass wir im Moment diese Willkommenskultur haben. Ich wünsche mir sehr, dass es anhält. Natürlich wird es sicher nicht immer Menschen an Bahnhöfen geben, die ein Spalier bilden. Aber einfach so diese Gedanken, dass es eine menschliche Sache ist, zu helfen und Flüchtlinge aufzunehmen, die sollen bleiben.
Ein toller Beitrag, ich finde es echt wertvoll, was du da schreibst! Ich finde, es ist eine Zeit, die uns ein wenig wachrütteln muss. Klar, man lebt sein Leben weiter, aber dennoch kann jeder ein Stück weit mit anpacken und versuchen zu tun, was man eben tun kann. Ich finde es traurig, dass es Menschen gibt, die meinen „das Boot“ sei voll. Das ist es nämlich nicht und wie du schon schreibst, sind so viele Menschen aus der Großelterngeneration auch Flüchtlinge gewesen (so auch bei mir). Man sollte tun, was man kann, um den Menschen, die ihr Heimatland verlassen müssen, das neue Leben hier so gut wie möglich zu machen und auch, wenn man nicht die Zeit haben sollte, ein Ehrenamt zu übernehmen, so kann jeder aber sehr wohl nachfragen, was gebraucht wird und auch mal einen kleinen Einkauf tätigen, der anderen zugute kommt.
Vielleicht ist es etwas fernab vom Thema, aber es gibt natürlich auch bestehende Einrichtungen, die Hilfe brauchen. Ich spende nun schon eine Weile ans Frauenhaus, weil auch da ein großer Bedarf herrscht. Das muss sich aber nicht unbedingt mit der Flüchtlingshilfe beißen, denn oft wird an der einen Stelle etwas nicht mehr gebraucht, was an der anderen aber bitter nötig ist. Fakt ist: Uns geht es gut, da sollte man einfach bereit sein, ein bisschen abzugeben und wenigstens einen kleinen Teil zu leisten – wenn das jeder täte, wäre die Summe dieser Taten eine gigantische Hilfe für die Menschen, die es am nötigsten haben.
Vielen Dank für diesen Beitrag! Ich habe mir auch lange Gedanken gemacht, ob und wie ich weiterblogge und ob ich meinen aktuellen Shopping-Beitrag veröffentliche. Oder ob ich meine „einen Baum für jeden Abonennten“ -Spende doch in einen aktuelleren Zweck umwandle. Aber es ist wie Du schreibst: nur weil ich Beiträge veröffentliche, die sich mit profanen Dingen beschäftigen, heißt das ja nicht, dass es nicht auch die wichtigen Dinge daneben gibt oder ich mich nicht mit diesen beschäftige. Ich arbeite im wahren Leben im Sozialwesen und habe tagtäglich mit den Traumatisierungen zu tun, die hier jeden Tag geschehen und trotzdem blogge ich. Auch Krieg ist kein neues Thema und trotzdem blogge ich. Und ich könnte wohl noch 1000 Dinge aufzählen, die schlimm sind und trotz derer ich dennoch blogge.
Ein interessanter Beitrag!
Ich denke, bei solchen Dingen muss man immer den eigenen „Mittelweg“ für sich finden: Nur weil man nicht allen helfen kann, heißt das ja nicht, dass man keinem helfen soll. Also helfen wo man kann und wo man möchte, aber trotzdem auch an sich selber denken, an die eigenen „Bedürfnisse“, so albern sie anderen erscheinen. Wobei diese natürlich nicht die Oberhand haben sollten.
Mal abgesehen davon ist ein Beauty Blog ja definitiv nicht alles, was einen Menschen ausmacht. Für mich ist es ein Ausgleich, aber wenn ich keine Zeit/Lust zum Bloggen habe ist das eben so. Ein schönes Hobby, aber nie das Wichtigste. Hauptsache wir vergessen nie, in was für eine privilegierten Situation wir uns befinden und vergessen nie das wertzuschätzen!
Ich habe mir auch schon Gedanken zu diesem Thema gemacht – wie wahrscheinlich jeder Blogger in diesen Tagen. Letztendlich habe ich mich dazu entschieden, den Button zum Spenden von #bloggerfuerfluechtlinge in meiner Sidebar zu installieren. Das ist sozusagen mein stiller Beitrag – zu mindest auf dem Blog.
Daria Daria, die ich im Moment gerade noch mehr bewundere als sonst, hat dazu auch schon einen Artikel geschrieben, den ich sehr sehr gut fand! Ihr Fazit war das selbe wie deins. Und ich glaube es ist auch das richtige! 🙂
Liebe Grüße!
Liebe Heli,
auch ich saß schon einige Male vor dem Rechner und dachte mir „ernsthaft, Schminke?! Jetzt gerade? Es gibt doch wichtigeres!“
Gibt es! Aber dein Geschriebenes sagt das richtige – der Blog ist ein Teil, eine Facette. Manches will man vl auch nicht mit der ganzen Welt teilen. Zu Privat, zuviel Herz, zuviel was keinem was angeht.
Grünste Grüße
Liebe Heli,
ich teile deine Ansichten: helfen ist momentan so wichtig, aber das bedeutet nicht, dass man über scheinbar „unwichtiges“ nicht mehr schreiben darf.
Mit den Facetten hast du es toll beschrieben. Liebe Grüße (: .
Ich habe es in den ersten Tagen, als Flüchtlinge hier in München in Massen ankamen, als die Tweets über die Zustände in Ungarn im Sekundentakt auftauchten, es gar nicht ertragen, etwas über Lippenstifte und Nagellacke zu lesen. Ich habe sogar Leute entfolgt, die allzu froh und locker über ihr Frühstück und ihre Mascara twitterten.
Es kam mir unerträglich vor.
Das Thema reißt auch in unserer Familie Wunden mehrerer Generationen auf.
Wir können nur helfen, sonst nichts. Unser Leben geht dennoch weiter und so habe ich wieder selbst Makeup auf Instagram gezeigt, nachdem ich von rührendstem Moment mit einem Kind geschrieben habe, nachdem ich überall auf meinen Kanälen um Unterstützung und Hilfe gebeten habe.
Ich denke auch, es ist ok.
Ich sehe es genauso wie du. Sehr schöne Worte hast du gefunden.